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Herzstich in Metall

Matina Spaetts Broschen und Prägungen

Früher galt Schmuck als zeitlos schöne Wertanlage – in Gold und Edelsteinen an Hand und Hals der Dame. Dann stellte das Modeschmuckdesign respektlos die Gretchenfrage nach zeitgemäßem Stil. Jetzt prägt die Künstlerin Matina Spaett alles um: die reine Form, den guten alten Geschmack und das kostbare Material.

Auf den ersten Blick entstammt ihre Kunst einer unterirdisch-schwefligen Schmiedehölle. Hier werden Archaik und Punk zusammen gelötet, Prähistorie und Postatomares legiert. Einwände? „Go out of my lif/ve!“ Matina Spaett schreckt vor nichts zurück: „Nichts ist sicher“ vor ihrer Stahlnadel. Sie schändet Silberbroschen, ritzt banale Comics und zynische Graffitis ins edle Metall – graviert das Höchst-Vergängliche auf die Ewigkeit.

Dahinter steckt mehr: Matina Spaett ist eine symbol-besessene Literatin. In ihren Gravuren und Prägungen zucken die Gesten des Expressionismus. Zeitverschoben tritt in Kurt Pintus' „Menschheitsdämmerung“ Freund Batman auf, treffen Frank Masereels Holzschnittromane, Warhols und Lichtensteins Bildfloskeln zusammen. Und in ihrem Sprachwitz lässt Kurt Schwitters grüßen: Auf Spaetts Wappen stelzen die Buchstaben daher, wie die Plakatträger auf dem Kudamm der 20er Jahre. Der tiefere Non-Sense ihrer Ansteck-Sprüche wandelt auf den Füßen von Dada, Inflation und Weltpuls.

Matina Spaetts Stahlgravur bricht mit dem landläufigen Kunstgewerbe. Weder zielt sie auf den Blendeglanz des Goldschmucks, noch buhlt sie um modisches Dauerstyling. Ihr Credo liegt in der klassischen Moderne: in der Zerschlagung des dekorativen Ornaments, der Zersprengung hergebrachter Form, der Entkunstung der Kunst. Hier geht es um nichts geringeres als um Literatur in Metall. Um die Sprache der zitternden Stahlnadel, um die Prägung unverwechselbarer Charaktere, Stempel und Siegel. Nicht umsonst erinnern ihr Ohrenschmuck, ihre Ringe, Armbänder und Ketten an alte Zeiten, in denen Münzen und Schmuck, Kunst und Wert noch ein Bedeutungszeichen bildeten. Vor- und Nachschmuckzeit schließen zusammen – in Werkstücken, die Trägerin und Träger nicht ausstaffieren, sondern als Bekenntnis und Wappen getragen werden sollen.

Mit kaltem „Hertz“ wie aus Stein, zu leben, war der Angsttraum der Romantik. „Können Steinherzen noch wünschen?“ spottet Wilhelm Hauffs märchenhaftes Glasmännlein. Gegen die wunschlos-coole Mode von heute kehrt Matina Spaett den Mythos um: In ihren Prägungen und Ansteckbroschen soll dem Metall das Herz aufgebrochen werden – damit es für beherzte Schmuckträger pochen kann.

Peter V. Brinkemper (1988/90)





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13.07.07 Impressum